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Ein Foto erzählt:
Werkhütte eines Steinbruchs im Siebengebirge, Aufnahme vom 20. September 1894
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Unter den wirtschaftsgeschichtlichen Themen des Siebenge-birgsmuseums nimmt der Steinabbau eine besondere Stellung ein. Frühe Fotografien dokumentieren diesen Arbeitsbereich. Als Beispiel sei hier eine Aufnahme vorgestellt, die auf den ersten Blick eine unscheinbare alltägliche Szenerie wiederzugeben scheint. Bei genauerem Betrachten erweist sie sich aber als außerordentlich aussagekräftiges sozialgeschichtliches Dokument.
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In einem Steinbruch im Siebengebirge wird gefeiert. Wir kennen zwar nicht den genauen Anlaß, dafür aber - für diese Zeit außergewöhnlich genug - das genaue Datum. Es ist mit Kreide auf einer Tür der Werkhütte vermerkt: Der 20. September 1894 und somit ein Tag mitten in der Woche, denn dieses Datum fiel auf einen Donnerstag.
Die Belegschaft hat sich um ein Faß Bier versammelt. Zur Feier des Tages "posieren" alle für dieses Foto, in der unverkennbaren Absicht, ihre Stellung und ihren Rang innerhalb der Belegschaft unzweifelhaft zu dokumentieren. |
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Im Hintergrund, aber dennoch an höchster Stelle, steht der Chef. Kleidung und Haltung lassen keinen Zweifel daran, dass er an diesem Tage nur zu Gast ist. Sein Beitrag liegt nicht im handwerklichen, sondern allenfalls im kaufmännischen Bereich. Seine Sonderstellung wird nicht zuletzt durch die demonstrative Uhrkette untermauert. Neben ihm steht der "zweite Mann", sein Stellvertreter vor Ort; seine Funktion als Werkführer bringt er ebenfalls deutlich zum Ausdruck durch die Pläne, die er unter dem Arm trägt und die ihn zur Erteilung von Arbeitsanweisungen befähigen.
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Vor diesen beiden posiert die Belegschaft der Arbeiter. Aber auch hier erlaubt die Zuordnung von Werkzeugen und Werkstücken eine genaue Differenzierung.
Die am besten qualifizierten Steinmetze benutzen sogenannte Holz-"Knüppel" als Hammer, mit deren Hilfe sie schwierige Profilarbeiten ausführen.
Ihnen nachgeordnet sind einfachere Steinhauer, die mit dem sog. "Zweispitz" arbeiten und für Vorarbeit und Formgebung einzelner Werkstücke zuständig sind.
Eine dritte Gruppe schließlich ist für die Spaltung größerer Blöcke und grobe Vorarbeiten zuständig; bezeichnender Weise scheint ihnen aber nicht viel daran gelegen zu sein, mit ihrem Werkzeug zu posieren - nach "unten" gibt es nicht mehr viel abzugrenzen, darum kommt es hier nicht mehr so genau. Zu dieser Gruppe scheinen gerade die beiden zu zählen, die dem Fäßchen am nächsten sitzen - zumindest einer von ihnen hat sein Werkzeug, einen schweren Steinhammer, vor sich an einen Steinblock gelehnt. |
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Am rechten Bildrand finden sich noch zwei Personen, die den bisher genannten Kategorien nicht zugeordnet werden können. In einer uniformähnlichen Jacke ist dies zunächst ein Hilfsarbeiter. Über seiner Schulter trägt er einen Korb, mit dem er den bei der Arbeit der Kollegen anfallenden Steinschutt wegträgt, um ihn auf eine Halde abzukippen. Neben ihm steht - vor seinem Amboss - ein Schmied. Seine Aufgabe besteht in der Unterhaltung und Reparatur der Werkzeuge. Angesichts einer nur zehnköpfigen Belegschaft legt allein seine Gegenwart beredtes Zeugnis davon ab, mit welch hohem Energieaufwand und Verschleiß die Steinbearbeitung verbunden war.
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Als einziger nicht eindeutig zuordnen läßt sich ein Junge, der am linken Bildrand sitzt. Ob es sich hierbei um einen Lehrling handelt oder aber ein Kind, das seinem Vater beispielsweise Essen bringt - eine schlüssige Erklärung erlaubt die Momentaufnahme nicht, aber hier mögen die Erklärungsversuche die Phantasie des Betrachters beflügeln! |
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[Elmar Scheuren]
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